Insektenrückgang entgegenwirken
Abnahme erkennen, Ursachen begegnen
Insekten sind unverzichtbar für das Funktionieren unserer Ökosysteme. Sie sind Nahrungsgrundlage für eine Vielzahl weiterer Tierklassen wie Vögel, Säugetiere, Amphibien oder Reptilien. Fehlt es an genügend Insekten, so brechen nach und nach auch die Bestände verschiedener Vogel-, Amphibien- und Reptilienarten ein. Von diesen sind wiederum eine Vielzahl an Säugetieren abhängig. Kurzum: sind die Nahrungsbeziehungen einmal geschädigt und geschwächt, wirkt dies auf weitere Artengruppen nach und damit letztendlich auch auf den Menschen.
Insekten zählen aber auch zu den wichtigsten Pflanzenbestäubern. Indem insbesondere Fluginsekten Nektar und Pollen sammeln, sorgen sie für den Fortbestand der Pflanzenwelt. Vier von fünf Nutzpflanzen weltweit sind auf tierische Bestäuber angewiesen, ebenso vier von fünf Wildpflanzenarten. Ca. 80 % der landwirtschaftlichen Kulturen hängen in Europa von der Bestäubungsleistung durch Insekten ab. Einen großen Anteil hieran haben Honigbienen oder wildlebende Bienenvölker. Der kontinuierliche Rückgang an Bienen und anderen Bestäubern hat damit eine erhebliche Auswirkung auf die Land- und Ernährungswirtschaft. Obstpflanzen wie Äpfel, Kirschen, Birnen und Pflaumen, Brombeeren, Preiselbeeren, Himbeeren oder Erdbeeren sind auf die Bestäubung durch Bienen, Hummeln oder Schmetterlingen angewiesen. Ebenso werden Gemüsepflanzen wie Spargel, Bohnen, Kohl, Mohrrüben, Gurken, Salat, Paprika, Kürbis oder Tomaten durch Insekten bestäubt.
Eine Wirtschaftsleistung ohne Gleichen
Beispielhaft ermittelten Wissenschaftler unter der Führung von Sara Diana Leonhardt den Wirtschaftsgewinn, welcher durch die Bestäubungsleistungen (insbesondere von Bienen) erzielt wird, sowie dessen Anteil am Gesamtgewinn aus dem Ertrag von allen Kulturpflanzen. Für Deutschland beträgt dieser jährlich 1,13 Milliarden Euro, für die Gesamt-EU jährlich 14,6 Milliarden Euro (Vgl. Leonhardt et al. 2013: Economic gain, stability of pollination and bee diversity decrease from southern to northern Europe).
Daneben sind Insekten auch wichtige Nützlinge in der Forst- und Landwirtschaft. Besonders bei ökologisch wirtschaftenden Betrieben werden Nützlinge aktiv gefördert und damit die Ausbreitung schädlicher Insekten eingedämmt. Auch bei der Remineralisierung organischer Stoffe wie Pflanzenresten und Tierleichen im Boden, in der Bodenstreu oder im Totholz spielen Insekten eine bedeutende Rolle. Ameisen, Fliegenlarven oder Käfer sorgen dafür, dass tote Substanz von Pflanzen und Tieren zersetzt und zu neuer Lebensgrundlage für Bakterien, Pilze und andere Lebewesen werden. Durch sie werden wiederum Nährstoffe im Boden gespeichert und dem natürlichen Nährstoffkreislauf zur Verfügung gestellt.
Gefährdung auch in Brandenburg
Der seit Jahrzehnten anhaltende Insektenrückgang, von dem bisher in erster Linie seltenere und spezialisierte Arten betroffen waren, wird inzwischen vor allem für allgemein häufige und verbreitete Arten (Generalisten) beobachtet. Dabei sind negative Bestandstrends für alle Insektengruppen zu verzeichnen.
Aufschluss hierüber geben die Roten Listen: dies sind Verzeichnisse ausgestorbener und gefährdeter Tier- und Pflanzenarten sowie Biotoptypen. Sie bewerten die Gefährdung anhand der Bestandsgröße und der Bestandsentwicklung. Dadurch sind sie zuverlässige Anzeiger des menschlichen Umgangs mit der Natur und haben eine hohe Bedeutung. Sie werden in regelmäßigen Abständen von ca. 10 Jahren aktualisiert und vom Bundesamt für Naturschutz und den zuständigen Landesbehörden herausgegeben.
Nach den Roten Listen Brandenburg sind in allen Insektenartengruppen Rückgänge in den Bestandsgrößen und der Artenvielfalt zu verzeichnen. 41 % der Käfer, 53 % der Hautflügler (u.a. Bienen), 52 % der Kleinschmetterlinge, 41 % der Großschmetterlinge und 25 % der Köcherfliegen werden als ausgestorben bzw. gefährdet geführt. Vom Insektenrückgang sind auch viele wassergebundene Insektenarten wie z.B. Köcherfliegen, Eintagsfliegen und Steinfliegen betroffen, die auf sauberes Wasser in Flüssen und Seen angewiesen sind. Daten von Schmetterlingsforschern zeigen, dass mehr als ein Drittel, etwa 35 Prozent der Tagfalterarten, weiterhin sinkende Bestände aufweisen. Weitere negative Bestandstrends werden für Laufkäfer, Heuschrecken oder Ameisen beobachtet.
Ursachen für den Rückgang der Insektenmasse und des -artenverlustes
Es gibt eine Vielzahl an Faktoren, die die Bestände und Artenvielfalt der Insekten beeinflussen. Welche Ursachen den größten Einfluss auf den Rückgang haben, ist jedoch noch nicht ausreichend untersucht. Eine wichtige Annahme ist die veränderte Nutzung unserer Landschaft über die vergangenen Jahrzehnte. So wird über die Hälfte der Landesfläche Deutschlands landwirtschaftlich genutzt, in Brandenburg rund 45 %. Der Bewirtschaftung dieser Flächen kommt damit eine besondere Bedeutung zu.
Durch die Intensivierung der Landwirtschaft sind strukturreiche Elemente wie Weg- und Feldsäume, Blühstreifen, Heckenstrukturen, Kleingewässer, Brachen und extensiv genutztes Grünland verloren gegangen. Dies führt zu einem Rückgang des Blütenangebots für Bestäuber. Insekten werden damit Nahrungsgrundlagen und wichtige Lebensräume entzogen. Monotone Fruchtfolgen auf den großen, landwirtschaftlich genutzten Schlägen bieten nur wenigen Insektenarten einen Lebensraum.
Zudem fehlen durch den Einsatz von Herbiziden wichtige Ackerwildkräuter als Nahrungsgrundlage. Im Durchschnitt der letzten zehn Jahre wurden jährlich etwa 15.000 Tonnen Herbizide und knapp 1.000 Tonnen Insektizide eingesetzt. Dabei wirken Insektizide direkt tödlich oder vermindern die Orientierungs- und Fortpflanzungsfähigkeit insbesondere der Bienen. Dadurch werden sie geschwächt und in ihrer Reproduktion weniger erfolgreich.
Weiterhin gehen wertvolle Naturflächen verloren, da immer neue Siedlungs- und Gewerbeflächen erschlossen und versiegelt werden. Und auch im privaten Bereich wird mit Pflanzenschutzmitteln und Pestiziden gegen unliebsame Wildkräuter vorgegangen und wilde Ecken im Garten nicht zu gelassen. Dabei belief sich allein der Absatz von Pflanzenschutzmittel-Zubereitungen bei nicht-beruflichen Anwendern, v.a. im Haus- und Kleingartenbereich, in Deutschland 2016 auf rund 6.000 Tonnen.
Ansatzpunkte zur Kehrtwende
Eine Wende in der Landwirtschaft und in der Gestaltung und Nutzung unserer Landschaften, Gärten und Städte dringend vonnöten. Mit dem Erhalt vielfältiger, naturnaher, strukturreicher Landschaften werden Refugien für Insekten, Amphibien, Reptilien und Vögel geschaffen. Hierfür muss auf politischer Ebene vor allem in der EU-Agrarpolitik ein Umdenken einsetzen. Dazu gehört auch eine unbedingte Minimierung des Pestizideinsatzes sowie die Neugestaltung von Pestizid-Zulassungsprüfungen. Ebenso bedarf es weiterer Forschungs- und Monitoringprojekte, um die Ursachen des Insektensterbens zu ermitteln.
Viele Städte und Kommunen machen es bereits vor und verzichten zum Schutz der Insekten auf die Verwendung von Pestiziden auf öffentlichen Grünflächen und reduzieren die Pflege zu Gunsten von blühenden „wilden“ Wiesen. Gartenbesitzer sollten sich dem anschließen und auf den Einsatz von Pestiziden komplett verzichten und ihren Garten möglichst naturnah und vielfältig gestalten. Letztlich kann jeder auch über sein Konsumverhalten Einfluss auf die landwirtschaftliche Produktionsweise nehmen.
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