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Jetzt Mitglied werden18. NABU-Naturschutztag
Blühende Land(wirt)schaft
September 2017: Die einst versprochenen blühenden Landschaften sucht man in den meisten Regionen Brandenburgs vergeblich. Maisgrün ist nun vorherrschend. Und: Stille ist eingekehrt. Kein Summen der Insekten, kein Tirilieren der Feldvögel. Auf dem 18. NABU-Naturschutztag galt es, die „Blühende Land(wirt)schaft“ näher zu untersuchen.
Prof. Matthias Freude, Präsident des Landesamtes für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung, betonte in seinem Grußwort, dass die Feldlerche zu jedem guten Landwirt dazugehört. Doch auch an unseren Kleingewässern ist es unheimlich ruhig geworden. Dass nicht nur Insekten und Vögel der Agrarlandschaft, sondern auch die Amphibienbestände in einem dramatischen Zustand sind, illustrierte Dr. Norbert Schneeweiß von der Arbeitsgemeinschaft Natur- und Artenschutz.
Beinahe 20.000 Sölle gibt es in unserer Kulturlandschaft, potentieller Lebensraum zahlreicher Amphibien. 14 Amphibienarten gibt es in Brandenburg. Sie benötigen offene, dynamische Kleingewässer, die temporär auch mal austrocknen können und bestenfalls fischfrei sind. Früher wurden diese Kleingewässer z.B. als Viehtränke genutzt und regelmäßig freigeschnitten. Ungenutzt verlanden die Sölle zunehmend. Befördert wird dies durch den Eintrag von Bodenpartikeln und Agrochemikalien, denn oftmals wird bis an den Rand der Gewässer geackert. Doch die Populationen von Grasfrosch, Wechselkröte, Kreuzkröte, Rotbauchunke und Kammmolch sinken dramatisch. Auch die Aufgabe vieler Teichwirtschaften wirkt sich negativ auf den Amphibienbestand aus. Hinzu kommen Krankheiten sowie Verstümmelungen, verursacht durch mechanisches Einwirken der Ackergeräte oder Parasiten, die insbesondere an überdüngten Gewässern anzutreffen sind. Auch neue Prädatoren wie Waschbär und Mink dezimieren den Bestand unserer Amphibien drastisch. Gäbe es genügend geeignete Amphibiengewässer, könnten die Verluste durch die hohen Reproduktionsraten kompensiert werden. Hierfür müssten bestehende Kleingewässer erhalten, revitalisiert und verbunden, die Sukzession zurückgedrängt und Stoffeinträge reduziert werden, indem die umliegenden Flächen nicht als Acker, sondern als Grünland bewirtschaftet werden.
Die Vernetzung von Biotopen und die Schaffung von diversen Strukturen bieten auch vielen anderen Tier- und Pflanzenarten wichtige Rückzugsräume in der Agrarlandschaft. Blühstreifen oder Wildhecken bieten eine Möglichkeit, diese Elemente wieder in die Landschaft zu integrieren. Ole Niemczik vom Landesjagdverband berichtete von einem entsprechenden Projekt im Lehrrevier Groß Kreutz (Landkreis Potsdam-Mittelmark). Die angelegten Flurgehölze und die gemeinsam mit konventionellen Landwirten initiierten Blühstreifen werden auch von der Bevölkerung sehr gut angenommen und so regte sich erheblicher Widerstand, als Pflegemaßnahmen für die die inzwischen 20 Jahre alten Hecken anstanden. Nur mit großen Kommunikationsaufwand konnte das „Auf-Stock-Setzen“ der Hecken als wirksame Verjüngungsmaßnahme vermittelt werden. Inzwischen ist ein Jahr vergangen, und die nun frisch ausgetriebenen Hecken überzeugten die letzten Zweifler.
Ähnliche Umweltleistungen wie Hecken bieten auch Agroforstsysteme. Erste Ergebnisse des Projektes „AUFWERTEN!“ in dem auch der NABU Brandenburg involviert ist, stellte Dr. Christian Böhm von der BTU Cottbus vor. Die bisherigen Studien belegen, dass die für den Biomasseanbau angelegten Gehölzstreifen gepaart mit ergänzenden Maßnahmen wie z.B. Blühstreifen, sowohl die Biodiversität vor Ort erhöhen als auch das Landschaftsbild aufwerten und eine attraktive Alternative zu Energiepflanzen wie Mais und Raps darstellen können.
Wie die NABU-Stiftung Nationales Naturerbe bei der Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen hilft, stellte Simon Grohe vor.
Auf dem NABU-Naturschutztag wurde deutlich, dass es bereits gute und vielfältige Ansätze und Projekte von engagierten Landnutzern, von Naturschützern, aber auch von Hochschulen, Instituten, Gemeinden oder regionalen Initiativen gibt, um Kulturlandschaften aufzuwerten und dem Artenschwund wirksam entgegen zu treten. Viele Maßnahmen können sich ergänzen, und scheinbar gegensätzliche Interessenvertretungen arbeiten für die Sache Hand in Hand. Wichtig ist, die verschiedenen Akteure zu vernetzen, den Wissensaustausch zu fördern und mit guten Beispielen zu werben. Es braucht für einen Wandel in und um die landwirtschaftlichen Flächen aber ein konstruktives Miteinander, eine naturschutzfachliche Beratung vor Ort, und nicht zuletzt finanzielle Anreize. Deren Ausgestaltung und Höhe hängt vor allem von politischem Willen auf allen Ebenen ab.