Abschuss-Desaster darf sich nicht wiederholen
Brandenburg muss sich auf weitere Wisente vorbereiten
Ende September 2018 trafen sich in der brandenburgischen Akademie „Schloss Criewen“ rund 80 Naturschützer, Wildbiologen, Wisenthalter und Interessierte unterschiedlicher Nationalitäten um sich unter dem Titel „Wisente auf Wilder Weide – Arterhaltung und Ökologie“ über den aktuellen Stand der Zucht und Wiederauswilderung von Wisenten auszutauschen. Das Europäische Wisent ist das größte Landsäugetier unseres Kontinents und kann dank seines großen Appetits mit 30 - 60 kg Grünfutter am Tag ein wichtiger Partner in der Biotoppflege sein. Anfang des 20. Jahrhunderts war er in freier Wildbahn vollständig ausgestorben. Um das Überleben dieser imposanten Tierart sichern zu können, wurde 1923 die „Internationale Gesellschaft zum Erhalt des Wisent“ gegründet. So konnten aus den letzten 54 Tieren in Gefangenschaft dank konsequent verfolgtem Erhaltungszuchtprogramm bis heute wieder mehr als 7.000 Tiere gezüchtet und Wiederansiedlungsprojekte in Polen, Rumänien und Spanien gestartet werden. Das klingt nach einem Grund zur Hoffnung und einem Erfolg für den Artenschutz. Doch während Polen eine landesweite Wisentschutzstrategie entwickelt hat und deren Umsetzung verfolgt, tut sich Brandenburg extrem schwer mit der Akzeptanz eines einzelnen Wisents.
So geschehen im September 2017 als ein Wisent friedlich grasend auf den Oderwiesen einen Kräutersammler überraschte. Der Landrat hatte damals in nur wenigen Minuten scheinbar die vollumfängliche artenschutzrechtliche Prüfung vollzogen und den Abschuss des streng geschützten Tieres veranlasst. Eine offensichtliche Fehlentscheidung wie sich später herausstellen sollte und da waren sich auch alle Tagungsgäste in Criewen mit ihrem umfangreichen Wissen über die Tiere einig. Umso mehr erwarten Naturschutzorganisationen vom Umweltministerium jetzt die Entwicklung einer klaren Strategie, was bei dem nächsten Ausflug eines freilebenden Wisents zu tun ist. Erstmal einzäunen und dann überlegen, was zu tun ist, wie es in der Handreichung des Ministeriums derzeit zu lesen ist, ist nicht nur gesetzeswidrig sondern auch viel zu kurz gedacht. Gemeinsam mit dem Institut für Zoo- und Wildtierforschung haben BUND und NABU daher dem Ministerium klare Maßnahmen vorgeschlagen, wie z.B. die Bereithaltung von Betäubungsgewähren und Senderhalsbändern zur Verfolgung der Tiere.
Eine vom WWF in Auftrag gegebenen Studie hatte zehn potentiell geeignete Gebiete für die Wiederansiedlung von Wisenten in Deutschland identifiziert. Eines der besonders vielversprechenden Gebiete ist die Region Cottbus-Spreewald-Guben. Auch wenn die ökologischen Voraussetzungen für die Wideransiedlung dort günstig wären und eine Anbindung an die in Polen freilebenden Wisente ermöglichen würde, wird deren Existenz maßgeblich von der gesellschaftlichen Akzeptanz und dem politischen Willen abhängen.
Forderung der Naturschutzverbände
- Aus Sicht der Verbände ist der Normalfall, dass beim Auftreten eines Wisents im deutschen Raum dieses vor Ort belassen und unter Beobachtung gehalten wird.
- Die Verbände sehen es generell kritisch, eine streng geschützte Tierart wie das Wisent, einzufangen, zu umzäunen oder zurückzutreiben. Nach rechtlicher Prüfung liegt darin ein Verstoß gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG vor.
- Auf Anregung der Verbände sollte vom MLUL ein entsprechendes Beobachtungsmanagement eingerichtet werden. Darin enthalten: behördliche Ansprechpartner (untere Naturschutz- und Jagdbehörden), Informationswege und Ansprechpartner für Öffentlichkeit und Polizei (Kontakte, Verkehrsfunk zur Warnung vor Gefahren), Kontaktdaten der fachlichen Ansprechpartner zur Situationseinschätzung (polnische und deutsche Adressen, siehe unten)
- nach fachlicher Einschätzung nur unter Hinzuziehung fachlicher Ansprechpartner können, wenn nötig, Tiere mit geeigneten Maßnahmen umgelenkt werden,
- Überarbeitung der Handreichung des MLUL und Aufnahme der angegeben polnischen Adressen mit Ansprechpartnern deutschsprachiger Institutionen, welche bereits über Erfahrungen im Umgang mit Wisenten in Gehegehaltung verfügen, Hinweis auf polnischen Partner Bison Emergency Service (Western Pomeranian Natural Society, Polen) mit 24h Notruf
- Öffentlichkeitsarbeit, u.a. Erarbeitung einer entsprechenden Wisentbroschüre, Informationsveranstaltungen zu dieser geschützten Tierart
Eine aktualisierte Broschüre hat das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz im Dezember 2020 veröffentlicht: Der Wisent auf Wanderschaft.
Meldungen von gesichteten Wisenten nehmen die unteren Naturschutz- oder Jagdbehörden der Landkreise oder Brandenburgs Landesamt für Umwelt entgegen:
Landesamt für Umwelt
Rägelsdorf 9
16827 Zippelsförde
Telefon: +49 33933 70816
E-Mail: jens.teubner@lfu.brandenburg.de
Kontaktdaten fachlicher Ansprechpartner
Wisent-Regionalzentrum Ost (zuständig für Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen)
Landesforst Mecklenburg-Vorpommern
Wisentreservat Damerower Werder
Drewitz 4
17214 Nossentiner Hütte
Fred Zentner
Telefon: 0173 3010219
fred.zentner(at)lfoa-mv.de
Wisentreservat Damerow
Wisent-Regionalzentrum Nord
Niedersächsische Landesforsten
Wisentgehege Springe
Wisentgehege 2
31832 Springe
Thomas Hennig
Telefon: 05041 5828
thomas.hennig(at)wisentgehege-springe.de
www.wisentgehege-springe.de
Bison Emergency Service (Western Pomeranian Natural Society, Polen)
24 Stunden Service
Maciej Tracz
Telefon: +48 501009692
Marcin Grzegorzek
Telefon: +48 605093721
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V.
Alfred-Kowalke-Straße 17
10315 Berlin
Luisa Zielke
Telefon: 0152 23436779
zielke(at)izw-berlin.de
IZW Berlin
Heinz Sielmann Stiftung
Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide
Unter den Kiefern 9
14641 Wustermark (OT Elstal)
Peter Nitschke
Telefon: 0170 5608297
peter.nitschke(at)sielmann-stiftung.de
Sielmann-Stiftung in der Döberitzer Heide
NABU Mecklenburg -Vorpommern
Wisentgehege Usedom
Dirk Weichbrodt
Wiesenstraße 9
17419 Prätenow
Telefon 0162 – 163 77 79
info(at)wisentgehege-usedom.de
Wisentgehege Usedom