Keine Hühnermast in Groß Haßlow
Genehmigung endgültig aufgehoben
7. Oktober 2023 - Die vor mehr als zehn Jahren genehmigte und teilweise bereits errichtete Hühnermastanlage in Groß Haßlow bei Wittstock wird nicht in Betrieb gehen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat am Donnerstag nach längerer mündlicher Verhandlung die Genehmigung endgültig aufgehoben. Geklagt hatte der Naturschutzbund Brandenburg (NABU) mit Unterstützung der örtlichen Bürgerinitiative „Wittstock contra Industriehuhn“.
Der NABU Brandenburg zeigte sich nach der Verhandlung mit dem Ausgang sehr zufrieden. So teilte der Vorsitzende Björn Ellner mit: „Derartige Anlagen dürfen aus unserer Sicht grundsätzlich nicht mehr genehmigt werden. Die Tiere vegetieren vor sich hin und sehen in ihrem ganzen Leben kein Tageslicht. Wegen der hohen Keimbelastung müssen immer wieder Antibiotika eingesetzt werden. Es gibt zahlreiche Untersuchungen, dass Hühnerfleisch aus derartigen Anlagen häufig gesundheitsgefährdend ist. Die Umgebung solcher Anlagen wird mit dem Stickstoff aus dem Hühnerkot beaufschlagt, sodass dort empfindliche Pflanzen kaum noch wachsen und Biotope zerstört werden.“
Der NABU appelliert an die jetzt in dem Gerichtsverfahren unterlegenen Betreiber der Hühnermastanlage, keinen neuen Versuch zu starten, sondern mit der Zivilgesellschaft und den Umweltverbänden über eine tier- und umweltfreundliche Lebensmittelproduktion ins Gespräch zu gehen. Sollte es aber einen neuen Antrag geben, kündigt der NABU schon jetzt an, dass es wieder entsprechenden öffentlichen und juristischen Gegenwind geben wird.
25. Januar 2021 - Der NABU Brandenburg und die Bürgerinitiative „Wittstock Contra Industriehuhn“ sind zuversichtlich, dass auch nach der Zurückverweisung des Rechtsstreits vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig an das Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg die Genehmigung der Anlage keinen Bestand haben wird. Die Zurückverweisung durch das Bundesverwaltungsgericht betrifft nämlich lediglich einen Teilaspekt derjenigen Argumente, die gegen die Anlagengenehmigung in dem bisherigen Verfahren vorgebracht worden sind. In der Anlage sollen auf 328.000 Mastplätzen innerhalb von 42 Tagen die Tiere auf Schlachtgewicht gemästet werden.
Wie bereits bekannt geworden, hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) aufgrund einer mündlichen Verhandlung am vergangenen Donnerstag den Rechtsstreit um die Hähnchenmastanlage Groß Haßlow zur erneuten Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg zurückverwiesen. Grund hierfür ist eine bisher ungeklärte Rechtsfrage, auf die das OVG sein Urteil gestützt hat und die das BVerwG nunmehr entschieden hat. Konkret ging es um die Frage, ob der Verlängerungsbescheid für die Genehmigung, der nach Auffassung des OVG fehlerhaft war, nachträglich geheilt werden kann. Das OVG hatte eine solche Heilung verneint, das BVerwG nun aber festgestellt, dass eine solche Heilung grundsätzlich möglich ist.
Die theoretische Möglichkeit der Heilung der sogenannten Fristverlängerung bedeutet aber nicht, dass diese auch tatsächlich geheilt werden kann. Dazu müssten die Betreiber der Mastanlage nachweisen, dass es zu keinen Beeinträchtigungen gesetzlich geschützter Biotope kommt und dass auch die weiteren Gründe, die vom NABU als Kläger gegen die Anlage vorgebracht worden sind, der Genehmigung nicht entgegenstehen. Diese Gründe, u.a. das behauptete Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Verlängerung der Genehmigung oder die sogenannten Privilegierung der Anlage, hat das OVG bisher nicht entschieden, weil es bereits von der Rechtswidrigkeit der Fristverlängerung und ihrer Nichtheilbarkeit ausging. In dem nunmehr zurückverwiesenen Verfahren wird es jetzt u.a. auf diese Punkte ankommen.
Hinzu kommt, dass auch im Land Brandenburg eine neue Rechtslage durch einen Erlass des Umweltministeriums gibt, der der Genehmigungsfähigkeit der Anlage voraussichtlich ebenfalls entgegensteht.
Sollte das OVG zu der Feststellung kommen, dass die Genehmigung zwar rechtswidrig, aber in Gänze heilbar ist, wird die Genehmigungsbehörde, das Landesamt für Umwelt, zu prüfen haben, ob der Mastbetrieb eine derartige Heilung nachweisen kann. Die Entscheidung über die Zukunft der Hähnchenmastanlage liegt dann also auch wieder in den Händen der Behörde. Sollte das LfU den Mastbetrieb erneut genehmigen, steht dagegen wieder der Rechtsweg offen.
Bis zur endgültigen Klärung, ob die Anlage genehmigt werden kann, gilt weiterhin das Bauverbot, das vom OVG Berlin-Brandenburg verhängt wurde.
Der Landesvorsitzende des NABU, Friedhelm Schmitz-Jersch, appelliert an die Vernunft der Beteiligten, das Vorhaben nicht weiter zu verfolgen. „Sowohl die Tierhaltung von zehntausenden von Hühnern in engen Ställen, die nicht ansatzweise artgerecht ist, als auch das Risiko, das für die menschliche Gesundheit von derartigen Anlagen ausgeht, muss in den aktuellen Zeiten neu bewertet werden. Industrielle Tierhaltungsanlagen derartiger Größenordnungen sind mittlerweile noch stärker abzulehnen als früher.“
Zurückliegende Nachrichten:
5.September 2019 - Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat die Berufungen der Behörde und des Hähnchenmästers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam, mit dem die Genehmigung aufgehoben worden ist, zurückgewiesen.
Der NABU hatte geltend gemacht, dass der Anlagenbetrieb zur Zerstörung von Biotopen führt und der Standort im Außenbereich aus bauplanungsrechtlichen Gründen unzulässig ist. Auch die Haltungsbedingungen sind mit den tierschutzrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar, zudem hätte die Umstellung von der sog. Kurzmast auf die Langmast zu einem erheblichen Anstieg der Emissionen geführt.
Das Verwaltungsgericht Potsdam (VG) und das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hatten die Errichtung und den Betrieb der Hähnchenmastanlage auf entsprechende Anträge des NABU in mehreren Eilverfahren vorläufig unterbunden.
In der Hauptsache hatte das VG dann mit Urteil vom 17.11.2016 entschieden, dass die Verlängerung der Genehmigung rechtswidrig und die Genehmigung insgesamt erloschen ist. Gegen dieses Urteil hatten sowohl die Behörde als auch der Hähnchenmäster Berufung beim OVG eingelegt. Mit dem Urteil vom 4.9.2019 hat das OVG diese Berufungen zurückgewiesen und damit die Entscheidung des VG bestätigt.
Der NABU Brandenburg ist erfreut darüber, dass die Inbetriebnahme der Anlage schon bisher durch mehrere Gerichtsverfahren verhindert werden konnte. Ohne den Einsatz der Bürgerinitiative vor Ort wäre es für den Verband nicht möglich gewesen, dieses Verfahren über einen so langen Zeitraum und so aufwendig zu führen.
Wahrscheinlich ist jedoch, dass das Landesamt für Umwelt und der Hähnchenmäster sich nun noch an die nächst höhere Instanz, dem Bundesverwaltungsgericht, wenden werden.
26. Januar 2018 Das Schicksal der beantragten riesigen Mastanlage in Groß Haßlow bei Wittstock ist weiter in der Schwebe. 328 000 Hähnchen in 8 Ställen sollen hier gehalten werden. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hat am 25.1.2018 über die Klage des NABU Brandenburg verhandelt. Nach mehrstündiger Verhandlung hat das OVG entschieden, dass weiterer Aufklärungsbedarf besteht.
Gegenstand der gestrigen Verhandlung waren zunächst rechtliche Fragen, in denen es vor allem darum ging, was seitens eines Umweltverbandes gerichtlich geltend gemacht werden kann. Das beklagte Amt, das Landesamt für Umwelt Brandenburg (LfU), sowie der Hühnermäster hatten die Auffassung vertreten, dass die Klage des NABU unzulässig sei, weil dieser gar nicht befugt sei, die Fristverlängerungsentscheidung der Behörde gerichtlich überprüfen zu lassen.
Mit der Feststellung des Gerichts, das weiterer Aufklärungsbedarf besteht, dürfte dessen Einschätzung verbunden sein, dass die Klage des NABU als zulässig angesehen wird. Dies hatte auch schon das Verwaltungsgericht Potsdam in erster Instanz festgestellt, und auch in allen vorherigen Eilverfahren war die Klage als zulässig angesehen worden.
Die Richter des OVG hatten auch bereits angedeutet, worin sie weiteren Aufklärungsbedarf sehen. Es geht um die Auswirkungen des genehmigten Anlagenbetriebs auf gesetzlich geschützte Biotope im Umfeld des Anlagenstandortes.
Nach Einschätzung des Rechtsanwalts des NABU, Peter Kremer, ist das Verfahren auf einem guten Weg. Es werde sich sehr plausibel zeigen lassen, dass es zu Beeinträchtigungen gesetzlich geschützter Biotope durch Stickstoffeinträge aus der Anlage kommen würde.
Der Vorsitzende des NABU Brandenburg, Friedhelm Schmitz-Jersch, ist mit der gestrigen Verhandlung zufrieden. „Die Richter haben sich sehr intensiv mit dem Fall auseinandergesetzt. Das Gericht wird nach unserer Einschätzung grundlegend die Frage prüfen, ob eine solche Anlage wegen ihrer Auswirkungen auf die Umwelt dort zulässig ist.“
Die Sprecherin der Bürgerinitiative Wittstock Contra Industriehuhn, Andrea Stelmecke, stellt fest, dass die Bürgerinitiative, die den NABU in dem Klageverfahren unterstützt, den erforderlichen weiteren langen Atem haben wird. „Wir werden den Kampf gegen die Anlage bis zum Schluss durchhalten“.
18. November 2016 – Die umstrittene Hähnchenmastanlage in Groß Haßlow bei Wittstock/Dosse darf weiterhin nicht gebaut werden. Das Verwaltungsgericht Potsdam gab der Klage des NABU Brandenburg nun auch im Hauptverfahren statt. Der Streit wird voraussichtlich vor das Oberverwaltungsgericht gehen.
2012 hat das Landesamt für Umwelt Brandenburg (LfU) in Groß Haßlow eine Hähnchenmastanlage mit 380.000 Tierplätzen genehmigt. Bei etwa acht Mastdurchgängen wären jährlich rund drei Millionen Tiere in riesigen Hallen und ohne Auslauf innerhalb von 35 Tagen auf ein Schlachtgewicht von 1,6 Kilogramm gemästet worden. Als Hähnchenmäster traten die Unternehmensgruppen Rothkötter und Fortwengel in Form der Prignitzer Broilermast GmbH auf.
Nach Erteilung der Genehmigung beantragten die Hähnchenmäster deren Änderung. Nunmehr sollten 328.000 Tiere auf ein Schlachtgewicht von 2,6 Kilogramm innerhalb von 42 Tagen (sogenannte Langmast) gemästet werden. Die ursprüngliche Genehmigung war auf ein Jahr befristet. Kurz vor Ablauf dieser Ein-Jahres-Frist begannen die Hähnchenmäster mit der Bauvorbereitung und beantragten außerdem eine Verlängerung der Genehmigung, die vom Landesamt für Umwelt auch erteilt wurde. Gegen diese Verlängerung erhob der NABU Brandenburg Widerspruch und Klage.
Auswirkungen teils nicht geprüft
Der NABU machte geltend, dass die Anlage wegen einer zwischenzeitlich eingetretenen Rechtsänderung heute nicht mehr genehmigt werden dürfte und die Behörde außerdem Auswirkungen der Anlage nicht geprüft oder falsch bewertet habe. Außerdem sei die Umstellung auf Langmast eine Vergrößerung der Anlage um rund ein Viertel, weil sich das Tiergewicht entsprechend erhöhe.
Trotz Widerspruch und Klage wollten die Hähnchenmäster weiterbauen. Dies wurde ihnen durch insgesamt vier Eilbeschlüsse vom Verwaltungsgericht Potsdam und vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg untersagt. Mit dem gestrigen Urteil, das nach mehrstündiger mündlicher Verhandlung fiel, liegt nun erstmals auch eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren vor.
Der NABU-Landesvorsitzende Friedhelm Schmitz-Jersch zeigte sich erfreut über den Ausgang des Verfahrens: „Jeder Tag, an dem nicht hunderttausende von Tieren bis zum Schlachttag in Riesenställen vor sich hinvegetieren, ist ein guter Tag für die Umwelt. Ich bin zuversichtlich, dass die Entscheidung in der nächsten Instanz bestätigt wird.“
Wohl noch jahrelanger Rechtsstreit
Große Erleichterung gab es auch bei der Bürgerinitiative „Wittstock contra Industriehuhn“, die das Verfahren unterstützt und begleitet. Deren Sprecher Andrea Stelmecke und Philipp Wacker sehen das Urteil auch als Zeichen dafür, dass sich der Widerstand gegen derartige Projekte lohnt. Andrea Stelmecke: „Seit drei Jahren gibt es unsere BI, und durch das nun schon fünfte für uns positive Urteil sehen wir unseren langen Atem bestätigt.“ „Allen Freunden und Förderern sei für ihre bisherige Unterstützung herzlich gedankt“, ergänzt Philipp Wacker.
Das Verwaltungsgericht ließ die Berufung zum Oberverwaltungsgericht zu. Die Genehmigungsbehörde und die Hähnchenmäster müssen nun entscheiden, ob sie den Fall vor das Oberverwaltungsgericht bringen. Nach Ansicht des Berliner Umweltrechtlers Peter Kremer, der als Anwalt die Klage für den NABU führte, geht die Bedeutung der Entscheidung weit über den konkreten Fall hinaus. Er rechnet damit, dass das Verfahren wegen der grundsätzlichen Rechtsfragen bis zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig geht und daher noch mehrere Jahre dauern wird.
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