Chancen und Anforderungen an das Kulturlandschaftsprogramm Brandenburg
Praktische Grünlandbewirtschaftung und Förderbedingungen




Grünland im Havel Gebiet Foto: K. Karkow
Friedhelm Schmitz-Jersch (Landesvorsitzender NABU Brandenburg) begrüßte die Anwesenden und wies auf den Konflikt zwischen naturschutzfachlich wertvollen extensiv und landwirtschaftlich intensiv genutzten Flächen hin.
Dr. Silvia Rabold und Maria Hansen (Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft) erläuterten die inhaltlichen Schwerpunkte wie die bisherige und mögliche künftige Ausgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach den Plänen der EU-Kommission. Demnach soll den EU-Mitgliedsstaaten mehr Gestaltungsspielraum in der Ausgabe der Mittel offengehalten werden. Das bisherige Zwei-Säulen-System bliebe bestehen, sodass die 1. Säule wie bisher einheitlich in Deutschland umgesetzt wird. Die 2. Säule und damit die regionale Umsetzung für geförderte Landwirtschafts-Maßnahmen und Umwelt würde den Bundesländern überlassen bleiben. Insgesamt bliebe das inhaltliche bisherige Förderspektrum der 2. Säule weitestgehend erhalten – wenn auch finanziell in geringerem Umfang durch die EU unterstützt als in der laufenden Förderperiode, womit eine stärkere Kofinanzierung der Länder zur Umsetzung einhergehen muss. Bei den sogenannten Eco Schemes, welche als Bausteine für Agrar- und Umweltmaßnahmen definiert werden sollen und von den Mitgliedsstaaten angeboten werden müssen, sind Landwirte nicht verpflichtet diese umzusetzen.
Das Projekt KBSplus wurde ebenso vorgestellt. Dieses unterstützt und vernetzt die im Gemeinsamen Begleitausschuss für die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds) im Land Brandenburg vertretenen Partner. Darüber hinaus übernimmt die KBSplus eine Beratungs- und Netzwerkfunktion und steht allen Partnern für die Themen und Aufgaben der drei ESI-Fonds ESF, EFRE und ELER gleichermaßen zur Verfügung. Sie schafft ein Angebot zur Unterstützung bei der stärkeren Einbindung der Partner im Land in die Informations- und Diskussionprozesse zu den ESI-Fonds.
Dr. Frank Zimmermann (Landesamt für Umwelt) ging in seinem Vortrag auf die Nutzungshistorie der Wiesen in Brandenburg ein. Er betonte, dass 80 % der Feuchtwiesentierarten nicht auf andere Lebensräume ausweichen können. Niedermoore und Feuchtwiesen sind jedoch spätestens seit den 1970er Jahren großflächig zerstört oder degradiert. Dr. Zimmermann ging im Speziellen auf den Erhaltungszustand der Pfeifengraswiesen und Sumpfdotterblumenwiesen ein. Um die Artenvielfalt zu erhalten, sollte sich so gut wie möglich an der früheren traditionellen, teilweise jährlich wechselnden und mosaikartigen Nutzung auf möglichst vielen, kleinteiligen Flächen ohne Düngung orientiert werden, da Brandenburg eine durch die Dreifelderwirtschaft geprägte Landschaft aufweist. Entscheidend ist auch die Gewährleistung eines ganzjährig mehr oder weniger hohen Grundwasserstandes. Sein Plädoyer war, die Verantwortungsarten Deutschlands und Brandenburgs in der jetzigen Kulturlandschaft zu erhalten und entsprechende Förderprogramme insbesondere für die Schafhaltung, aber auch für Landschaftspflegeverbände, aufzustellen.
Wernfried Jaschke (Staatliche Vogelschutzwarte Brandenburg) präsentierte die Bestandszahlen typischer Agrarvogelarten. Im Havelländischen Luch ließen sich beispielsweise durch Wiedervernässungsmaßnahmen in der Kernzone zwischen 1992 und 2001 die Anzahl der Brutpaare bei bodenbrütenden Arten wie dem Wiesenpieper und der Lerche erhöhen und verschiedene Vogelarten wieder ansiedeln. Wertvolle Lebensräume können nur mittelfristig durch Verzicht auf Umbruch, Düngung und Aussaat von Futtergräsern und Leguminosen erreicht werden, die auch der Strukturarmut intensiv genutzter Flächen entgegenwirken. Durch die langjährige Bewirtschaftung als Extensivgrünland konnte die Aktivitätsdichte von Insekten gesteigert werden, auch die Herpetofauna profitierte von den Umstellungen. Die Maßnahmen selbst wurden über Vertragsnaturschutz, KULAP, Flächenerwerb sowie Schutzgebietsausweisungen umgesetzt. Großen Aufwind für die Umstellung gab der Schutz der Großtrappe als Schirmart.
Ähnliche Erfahrungen schilderte Nanett Nahs (Nationalpark Unteres Odertal). In Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Ornithologen, der Nationalparkverwaltung und den Landwirten werden die Brutorte der Wachtelkönige und weiterer Wiesenbrüter ermittelt und hierauf abgestimmt die Mahdtermine auf den betreffenden Flächen festgelegt. Auch die Mahd selbst bzw. die Steuerung über Mahdunterbrechung, Streifenmahd und Aussparung von Teilbereichen wird durch Ehrenamtliche begleitet. Damit kann der Wiesenbrüterschutz gezielt erfolgen – auch die Kontrolle der Flächennutzung ist damit sichergestellt. So zeigt sich ebenfalls bei der Brenndoldenwiesennutzung, wie wertvoll die dynamische Anpassung der Mahdtermine aus Naturschutzsicht ist. Kritisiert wurde, dass auch die Pflege der Trockenrasenflächen nicht über das KULAP gefördert werden können. Des Weiteren verwies sie auf den Konflikt zwischen der Erhaltungspflicht und dem Wildnis-Anspruch.
Frank Gottwald (Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e.V.) berichtete vom Projekt "Landwirtschaft für die Artenvielfalt" und stellte die Versuchsflächen in Brandenburg vor. Flächenangepasste Maßnahmen waren u.a. die Wasserhaltung im Gebiet, im vorgestellten Fall ein entwässertes Niedermoor, in dem zur Schonung des Großen Feuerfalters entlang eines Entwässerungsgrabens nur eine einseitige oder abschnittsweise Grabenpflege vorgenommen wurde. Für den Schutz von Wiesenpiepern wurde eine Ruhezeit eingehalten, und mit einer verminderten Düngung konnten lückige Abschnitte zur Nahrungssuche erhalten werden. Für Braunkehlchen, die strukturreiches Grünland, Brachen oder Säume benötigen, konnten durch den Erhalt von Begleitstrukturen und entsprechenden Schonflächen am Schlagrand Habitate erhalten und aufgewertet werden. Auf Versuchsflächen im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin wurden weitere wertvolle Wiesen durch verschiedene Maßnahmen in ihrer Artenvielfalt gesichert. Für eine effektive Maßnahmenauswahl ist jedoch eine Naturschutzberatung notwendig, dabei müssen Landwirte als Partner des Naturschutzes gewonnen werden. Betriebe, die mit dem erhöhten Arbeitsaufwand für die Maßnahmen bestimmte Zielarten erhalten oder deren Habitate fördern, sollten entsprechend angemessen honoriert werden.
Aus der Praxis stellte Jens Schreinicke (Landesbauernverband) seinen Betrieb und die Bewirtschaftung der Grünflächen auf einem degradiertem Niedermoor vor. Dabei bereiten ihm die hohen Wasserstände Probleme, da die Flächen mitunter bis Mai nicht zu bewirtschaften sind. Insgesamt bilden sich somit durch die lange Aushagerung mit Lücken im überstauten Bereich nur schwache Vegetationsbestände aus, sodass er nur niedrige Erträge aus geringwertigen Futtergräsern erwirtschaftet. Insgesamt erhofft er eine Besserstellung der Rinderhaltung, eine Unterstützung zur Kalidüngung gegenüber der reinen Mahd sowie der Möglichkeit, auch chemische Pflanzenschutzmittel selektiv insbesondere gegen Breitblättrigen Ampfer einsetzen und den vorkommenden Wildschweinaufwürfen mit schärferer mechanischer Bearbeitung begegnen zu können.
Das Gespräch wurde abgerundet durch Dr. Rainer Oppermann (Institut für Agrarökologie und Biodiversität (IFAB)), der Perspektiven zur Weiterentwicklung der Agrar- und Umweltprogramme benannte. Laut ihm muss die Agrarförderung so gestaltet werden, dass Landwirte Anreiz haben, sich aktiv mit ihren Flächen für eine naturverträglichere Landnutzung einzubringen. Die bisherigen Förderprogramme über Greening und dunkelgrüne Maßnahmen im ELER waren zum Erhalt und Besserung der Agrarbiodiversität nicht annähernd ausreichend gestaltet und finanziert. Nach den derzeitigen Planungen neuer EU-Förderinstrumente stellen aus seiner Sicht die Agrarumweltmaßnahmen und der Vertragsnaturschutz geeignete Mittel dar, um besonders detaillierte Gebiets-, Arten- und Problem-spezifische Maßnahmen umsetzen zu können. Um die Biodiversitätsziele zu erreichen, müsste ein entsprechender Strategieplan für Brandenburg entwickelt und Landwirte in ihrem Betriebsablauf begleitet werden. Eine Trendwende zu mehr Biodiversität sei aber mit einer sinnvollen Ausgestaltung dieser Instrumente möglich, die Freiheiten, die den Bundesländern für die Agrar-Förderinstrumente zugesprochen werden sollen, müssen entsprechend genutzt und von Landwirten und Naturschützern gemeinsam ausgestaltet werden.
In der weiteren Diskussion wurden auch die unzureichende finanzielle Förderung und Unterstützung der Junglandwirte, der hohe bürokratische Aufwand für die KULAP-Förderung und das unzureichende Beratungsangebote für Landwirte angeführt. Auch die lange Laufzeit von Pachtverträgen machen es jungen Landwirten und Landwirtinnen schwer, in die Branche einzusteigen.