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Jetzt Mitglied werdenInsektenschwund – Wege aus der Krise
Rückblick auf den Entomologentag Berlin/Brandenburg 2022
Das Thema Insektenschwund ist in aller Munde. 2017 sorgte die Krefelder Studie für weltweites Aufsehen. Erstmals wurde ein deutschlandweiter Insektenrückgang mit erschreckenden Zahlen belegt: Die Biomasse der Fluginsekten hatte in verschiedenen Naturschutzgebieten in Deutschland binnen 27 Jahre um 75 Prozent abgenommen!
Aber wie geht es unseren Insekten heute – 5 Jahre nach Veröffentlichung der Krefelder Studie? Und was können wir konkret gegen den Insektenschwund tun? Rund um diese Fragen drehte sich die 16. Fachtagung des BFA Entomologie und der 35. Märkische Entomologentag des LFA Entomologie Berlin-Brandenburg im NABU Brandenburg.
Insekten-Fachtagung lockte viele Interessierte an
Am Samstag, 15.Oktober 2022, trafen sich im Haus der Natur in Potsdam über 60 Interessierte aus entomologischen Fachkreisen sowie Behörden und Naturschutzorganisationen, aber auch allgemein Interessierte. Mit einem Grußwort eröffneten Werner Schulze, Vorsitzender des BFA Entomologie, und Dr. Jörg Gelbrecht, Vorsitzender des LFA Entomologie Brandenburg, die Veranstaltung. In mehreren Vorträgen wurden verschiedene Aspekten zum Insektenschutz beleuchtet. Durch das Programm führte Thomas Ziska, Leiter der Fachgruppe Entomologie Berlin.
Wie geht es unseren Insekten?
Neueste Studien und Projekte zu Langzeit- und Kurzzeitentwicklungen der Artenvielfalt und der Biomasse sowohl auf regionaler Landschaftsebene und für größere Regionen (Deutschland, Mitteleuropa) als auch global bestätigen grundsätzlich die Erkenntnisse der Krefelder Studie, dass es in den letzten Jahrzehnten einen drastischen Rückgang von Insekten (Artenvielfalt, Biomasse) gegeben hat (R. Mühlethaler et al., A. Ssymank, A. Lehmann, M. Wiemers & J. Settele). Solche Kenntnisse sind notwendig, um geeignete Maßnahmen zum Insektenschutz aufstellen zu können.
Weitere Untersuchungsergebnisse zeigten, dass der Artenschwund oft schon vor über 100 Jahren mit der Industrialisierung der Landwirtschaft einsetzte (A. Lehmann, J. Gelbrecht & G. Ziebarth, P. Scherreiks). Die Ursachen für die negativen Entwicklungen sind grundsätzlich bekannt und meistens sehr komplex: Pestizideinsätze in Land- und Forstwirtschaft, Eutrophierung, Grundwasserabsenkungen, Monokulturen in der Landwirtschaft und generelle Nutzungsintensivierung sowie Lichtverschmutzung, Fragmentierung von Lebensräumen und neuerdings zusätzlich Witterungsextreme wie Dürren und Hitzewellen. R. Mühlethaler et al. und A. Syssmank erläuterten die Ursachen in ihren Beiträgen und stellten erste Ergebnisse vor. Es wurde auf die großen Schwierigkeiten hingewiesen, den Einsatz von Pestiziden, wie z.B. den Neonicotinoiden in der Landwirtschaft, zu reduzieren oder gar zu verbieten, da Lobbyisten der Landwirtschaft und der chemischen Industrie das verhindern wollen.
Insektenschwund – erste erfolgreiche Gegenmaßnahmen
Dass es durch geeignete Maßnahmen auf regionaler Ebene auch möglich ist, den Artenschwund zu stoppen und die Vielfalt sogar wieder zu fördern, wurde in den Beiträgen von P. Urban sowie J. Gelbrecht & G. Ziebarth dargestellt. Ein sehr erfolgreiches Pflegekonzept für Moorwiesen wird z.B. seit vielen Jahren im Löcknitztal praktiziert. Hier konnte bereits durch extensive Pflege mit später Hand-Mahd von Ende Juli bis Mitte September die heimische Insektenvielfalt gefördert werden.
G. Kalinkat stellte dar, wie die negativen Folgen der Lichtverschmutzung auf die Insektenvielfalt und Insektenbiomasse durch die Wahl geeigneter Beleuchtungssysteme reduziert werden kann. Erste vorläufige Ergebnisse zeigen, dass Straßenlampen mit engen Abstrahlwinkeln die Anziehungskraft auf Fluginsekten deutlich minimieren.
Insektenschutz geht uns alle an!
In alle Maßnahmen zum Insektenschutz wird auch eine breite, naturinteressierte Öffentlichkeit mit einbezogen. Sowohl die ehrenamtliche Naturschutzarbeit und die Umweltbildung als auch die Etablierung von Online-Portalen wie der Artenfinder (Y. Brenz) und das Schmetterlingsportal Brandenburg/Berlin zur Meldung von Beobachtungen sind dazu geeignete Wege.
Neben den interessanten und wissenschaftlich fundierten Vorträgen und den sich anschließenden Fragerunden nutzten die Teilnehmenden die familiäre Atmosphäre der Veranstaltung, um alte Kontakte aufzufrischen und neue Kontakte zu knüpfen.
Informationen zur Verbreitung sowie Meldungen von Schmetterlingen aus Berlin und Brandenburg hier:
Schmetterlingsportal Berlin-Brandenburg
Programm
Programm vom 15. Oktober 2022
- Begrüßung/ Eröffnung (W. Schulze, BFA & J. Gelbrecht, LFA BB)
- Ein bundesweites Projekt zur Analyse des Insektenrückganges in deutschen Naturschutzgebieten: DINA (Diversität von Insekten in Naturschutz-Arealen) (R. Mühlethaler, Bundesgeschäftsstelle NABU)
- Insektenrückgänge mitten in Schutzgebieten (Natura 2000) – Kenntnisstand, Ursachen und mögliche Maßnahmen“ (A. Ssymank, BfN Bonn)
- Aussterben und Ausbreitung von Heuschrecken in Brandenburg und Berlin - zwei Seiten des Klima - und Landschaftswandels (A. Lehmann, AK Heuschrecken, NABU Brandenburg)
- Das Projekt ArtenFinder Berlin: Beobachtungsportal und Förderung von Artenkenntnis für Insekten (Y. Brenz, Stiftung Naturschutz Berlin) Zum Artenfinder Berlin
- Zur Fauna der Käfer am Aas im Umfeld von Beweidungsprojekten mit Groß-Herbivoren (P. Urban, Bielefeld)
- Artenschutz durch umweltverträgliche Beleuchtung (G. Kalinkat, IGB Berlin)
- Die Bedeutung historischer Landnutzung für die aktuelle Artenvielfalt (P. Scherreiks, Braunschweig/Jena)
- Mehr als 30 Jahre Wiesenpflege im Löcknitztal – was bedeutet das für die Schmetterlingsfauna? (J. Gelbrecht, AK Schmetterlinge, NABU Brandenburg & G. Ziebarth, IG Löcknitztal)
- Insektenschwund: Ursachen und Lösungen laut IPBES (M. Wiemers, Senckenberg DEI Müncheberg & J. Settele, UFZ Halle-Leipzig)
- Schlusswort (W. Schulze)