Weißstörche in Brandenburg
Bestandsentwicklung von 1934 bis heute
Der erste internationale Weißstorchzensus 1934 ergab für die Mark Brandenburg in den damaligen Grenzen einen Brutbestand von 2295 Horstpaaren (HPa) und eine Storchendichte (StD) von 5,7 HPa/ 100 km km² (Glasewald 1935, Klose 1935). Bezieht man diese Zahlen auf die jetzigen Grenzen Brandenburgs kommt man auf 1527 HPa mit einer StD von 5,6 HPa/100 km².
Bis zum 2. Internationalen Storchenzensus 1958 hatte der Brutbestand um etwa 50 Prozent abgenommen (Rutschke 1964). Wegen des unvollständigen Zensus organisierte Bernd Ludwig ab 1964 eine jährliche Bestandserfassung (Ludwig 2001, 2008, 2011). Dies ist nur möglich, weil es ein Netz ehrenamtlicher Storchenbetreuer gibt.
Nach Anfangsschwierigkeiten konnten Brutbestand und Brutergebnisse jährlich vollständig ermittelt werden. Größere Schwankungen werden in „Erfolgs- und Bestjahre“ und „Störungs- und Katastrophenjahre“ gegliedert:
Erfolgsjahre: 1987/88/89/94/98/99 und 2004
Katastrophenjahre: 1982/93/97 und 2005/13/14/15/20.
Der erste Höchststand seit dem 1964er Zensus war 2004 mit 1409 HPa. In den Folgejahren sank der Bestand wieder etwas, bis es im Rekordjahr 2014 insgesamt 1424 HPa verzeichnet werden konnten. Diese Werte wurden bisher (einschließlich 2021) nicht wieder erreicht. Stattdessen pendeln sich die in Brandenburg gezählten Horstpaare bei rund 1250 ein, Tendenz sinkend.
Aktuelle Zahlen aus 2021
Die aktuellen Bestandszahlen aus 2021 verzeichnen insgesamt 1.243 Horstpaare , die durch ehrenamtlichen NABU-Storchenbetreuer erfasst werden. Daraus ergibt sich eine Storchendichte von 4,22 in Brandenburg. So stellt 2021 ein weiteres schlechtes Storchenjahr für Brandenburg dar. Die Ursachen dafür waren eine späte Ankunft wegen schlechter Witterung am Bosporus, schlechte Nahrungsgrundlagen aufgrund intensiver Landwirtschaft und hohe Verluste an Pulli durch den Starkregen am 30. Juni und 1. Juli 2021. So hatten 888 Storchenpaare flügge Jungen, 355 dagegen nicht. Damit sind 28,6 Prozent der Horstpaare ohne Nachwuchs geblieben. Die Gesamtzahl flügger Jungen lag im Jahr 2021 bei 2.041, was 1,6 flügge Junge pro Horstpaar (JZa) entspricht. Für eine Aufrechterhaltung des Bestandes liegen diese Zahlen unter dem erforderlichen Durchschnitt von 2 JZa.
Die Mitteilungshefte der Bundesarbeitsgruppe (BAG) Weißstorchschutz im NABU mit allen Datenreihen aus den einzelnen Bundesländern finden Sie hier: Mitteilungsblätter BAG Weißstorchschutz
Zahlen aus 2020
In 2020 konnten insgesamt 1206 Horstpaare durch die ehrenamtlichen NABU-Storchenbetreuer gezählt werden. Daraus ergibt sich eine Storchendichte von 4,09 in Brandenburg. Durch eine verspätete Ankunft und Nahrungsmangel brüteten viele Störche nicht mehr oder erfolglos. So hatten 949 Paare flügge Jungen, 257 dagegen nicht. Damit sind 21,3 Prozent der Horstpaare ohne Nachwuchs geblieben. Die Gesamtzahl flügger Jungen lag im Jahr 2020 bei 2.176, was 1,8 flügge Junge pro Horstpaar (JZa) entspricht.
Besonders gut waren die Storchendichten in den Landkreisen Prignitz (8,62) und Märkisch-Oderland (5,31). Teltow-Fläming (2,63) und Oder-Spree (2,45) bilden gemeinsam mit den kreisfreien Städten Cottbus (1,23) und Brandenburg (1,75) das Schlusslicht.
Auffällig ist, dass es kaum mehr erfolgreiche 4er oder 5er Bruten mehr gibt. In 2019 gab es insgesamt nur noch 47 Horstpaare mit vier Jungen und nur zwei mit fünf flüggen Jungen. Zum Vergleich: in 2007 waren es noch 206 Horstpaare mit vier und 20 mit fünf Jungen.
Erhaltung der Brutvorkommen
Zur Erhaltung der Population ist eine durchschnittliche Anzahl von weit über 2 Junge pro Horstpaar (JZa) erforderlich. Dies wurde leider nur in den „Bestjahren“ 1987/88/89/94/98/99 und 2004 erreicht. Besonders schlecht war dieser Wert 1993/97/2005/13/15.
Der prozentuale Anteil der Horstpaare ohne flügge Junge (HPo) war besonders gering in 1987/98/99 und 2004 (14,5 Prozent) und sehr hoch 1982/84/93/97/2005 (42,3 Prozent) und 2013 (38,3 Prozent). Der Weißstorchbestand in Brandenburg verringert sich demnach von Jahr zu Jahr schleichend.
Hauptursachen für Brutschwankungen
Unterschiedliche Ankunft der Brutpartner, ungünstige Witterungen und Horstkämpfe wirken sich negativ auf die Brutergebnisse aus. Besonders katastrophal ist der Nahrungsmangel (Regenwürmer, Insekten, Wühlmäuse) durch die Intensivierung der Landwirtschaft sowie durch den Wegfall von Brachen und Feldfutteranbau mit hohem Insekten- und Wühlmausbestand. Diese finden die Störche nicht auf Energiepflanzenäckern.
Auch Starkregen mit Kälteeinbrüchen kurz nach der Huderperiode lassen die durch Nahrungsmangel geschwächten Pulli verenden. So sind beispielsweise 1030 tote Nestjunge in 2013 auf starken Dauerregen in Ost- und Südbrandenburg zurückzuführen.
Schwerpunkt der Brutvorkommen in Brandenburg
Vor allem feuchte bis nasse Flussauen von Elbe, Spree, Havel, Oder, Neiße und Schwarzer Elster sind als Brutstätte der Weißstörche beliebt. Auch in der Nuthe-Nieplitz-Notte-Niederung und Umgebungen von Teichwirtschaften, wie beispielsweise bei Linum liegen die Schwerpunkte der Verbreitung. Ackerlandschaften und Waldgebiete werden immer mehr gemieden.
Daraus ergeben sich die höchsten Storchendichten in den Landkreisen Prignitz, Uckermark, Märkisch-Oderland, Elbe-Elster, Havelland und Dahme-Spreewald. Am geringsten sind sie dagegen in Teltow-Fläming, Oder-Spree, Barnim, Potsdam-Mittelmark. In Ortschaften brüten Weißstörche ausschließlich in nahrungsreichen Landschaften kolonieartig. Dazu zählen Rühstädt, Mödlich, Linum, Criewen und Falkenthal.
Maßnahmen gegen den Bestandsrückgang
In Brandenburg gibt es doppelt so viele Nisthilfen wie Horstpaare – Trend steigend.
Vor allem der Zerfall alter Gebäude verstärkt die Aufstellung von Nestmasten. Somit ist auch mit einem Rückgang von Schornsteinhorsten zu rechnen, da sich diese meist auf baufälligen Brennerei- und Bäckereischornsteine befinden.
Als wichtigste Maßnahme gegen einen erneuten Bestandsrückgang des Weißstorchs ist aber der Erhalt und die Verbesserung der Nahrungsflächen, insbesondere durch Extensivierung der Landwirtschaft, die Wiedervernässung von Dauergrünland, Anreicherung von Strukturen in der Landschaft und die Unterbindung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln in den Nahrungshabitaten.
Literatur
Glasewald, K. (1935): Vorläufiges Ergebnis der amtlichen Storchenzählung des Jahres 1934 in der Mark Brandenburg. Nachrichtenblatt für Naturschutz 12: 37-38.
Klose, H. (1935): Amtliche Storchenzählung in Brandenburg 1934. Nachrichtenblatt für
Naturschutz 12: 53-55.
Ludwig, B. (2001): Weißstorch – Ciconia ciconia (Linnaeus 1758). Arbeitsgemeinschaft Berlin-Brandenburgischer Ornithologen (ABBO): Die Vogelwelt von Brandenburg und Berlin, Rangsdorf: 74-78.
Ludwig, B. (2008): Die Bestandsentwicklung des Weißstorches (Ciconia ciconia) im
Bundesland Brandenburg in den Jahren 1964 bis 2005 – Ergebnisse einer 42 – jährigen
kontinuierlichen Erfassung. In Kaatz, C.; Kaatz, Me (Hrsg.): 3. Jubiläumsband
Weißstorch: 126-140.
Ludwig, B. (2011): Die Brutbestandsentwicklung des Weißstorches (Ciconia ciconia) im Bundesland Brandenburg in den Jahren 1934 bis 2010. Vogelwarte 49, Heft 4: 320-321.
Rutschke, E. (1964): Der Weiße Storch in den drei brandenburgischen Bezirken, Auswertung der Bestandsaufnahme von 1958. Märkische Heimat 5: 271-279.