Abbildung 2: Fotoaufnahme von Waldflächen in Lieberose vom 8. Mai 2019, links „behandelte“ (im Jahr 2014), rechts „unbehandelte“ Waldflächen.
Begiftung der Wälder war unnötig
Landesregierung stellt nur geringe Frassschäden in nicht besprühten Wäldern fest
Potsdam, 21. August 2019 In einer Antwort auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Günter Baaske musste die Landeregierung zugeben, dass in den Kiefernbeständen, die nicht mit dem Totalinsektizid „Karate Forst flüssig“ behandelt wurden, nur zwischen 10 und 30 Prozent Nadelverluste durch Raupenfrass zu verzeichnen seien. Noch Mitte Mai hatte Agrar- und Umweltminister Jörg Vogelsänger im Landtag erklärt ohne die Ausbringung des Totalinsektizid drohe eine „ökologische Katastrophe“. Es sei mit einem Totalverlust der Wälder zu rechnen. Der Landesforstbetrieb hatte sogar behauptet, der Befall durch die Raupen der Nonne sei derart massiv, dass die Kiefern bis zu 23 Mal kahlgefressen werden könnten. Nunmehr stellt sich heraus, dass die Nonnenraupen nur geringe Schäden verursacht haben.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatte aufgrund einer Klage des NABU Brandenburg durch einen Sofortbeschluss vom 17. Mai entschieden, dass die Ausbringung des Totalinsektizids unverzüglich eingestellt werden muss. Immerhin konnte damit die Begiftung der Wälder in den Ortslagen von Fichtenwalde, sowie Teilen von Borkheide und Borkwalde auf einer Fläche von 2.500 Hektar noch verhindert werden. Auf etwa der doppelten Fläche hatte der Landesforstbetrieb das Totalinsektizid vor dem Gerichtsbeschluss schon versprüht. Viele Bürgerinnen und Bürger aus den betroffenen Waldgemeinden hatten sich ebenfalls vehement gegen die Ausbringung des Giftes gewehrt. Sie befürchteten auch gesundheitliche Risiken.
Das Oberverwaltungsgericht hatte insbesondere bemängelt, dass der Landesforstbetrieb die Auswirkungen auf Arten und Lebensgemeinschaften nicht ausreichend geprüft habe. Der NABU hatte geltend gemacht, dass „Karate Forst flüssig“ als Kontaktgift alle Insekten, auch die natürlichen Gegenspieler der Nonne, in den besprühten Waldgebieten vernichtet. Die Begiftungsaktion fand gerade zur Brutzeit der Vögel statt. Durch den Ausfall der Insekten fehlen Vögeln und Fledermäuse ausreichend Nahrung, um ihre Jungen groß zu ziehen. Man weiß aus Studien, dass auch das Verfüttern von besprühten Insekten negative Auswirkungen auf die Brut hat.
„Völlig grundlos wurde Panik verbreitet, um die Begiftung mit dem Totalinsektizid zu rechtfertigen. Jetzt muss man feststellen, dass die Ausbringung von „Karate Forst flüssig“ unnötig war. Auf den schon begifteten Flächen ist aber der große Schaden für die Waldlebensgemeinschaften und die Organismen des Waldbodens bereits eingetreten. Auch Steuergelder wurden damit völlig unntötig für die Begiftungsaktion eingesetzt. Ich bin erschüttert, dass derart leichtfertig der großflächige Einsatz des Totalinsektizids angeordnet worden ist.“ erklärt Friedhelm Schmitz-Jersch, NABU-Landesvorsitzender.
Antwort Kleine Anfrage Landtag Brandenburg
Potsdam, 23. Mai 2019 Die Hubschrauber mit dem Breitband-Insektizid „Karate Forst flüssig“ müssen nun am Boden bleiben, denn das Oberverwaltungsgericht ist, wie berichtet, unserem (Eil-)Antrag gefolgt. Es ist aber zu erwarten, dass der Landesforstbetrieb nicht lockerlässt und in ein für uns kostenintensives und aufwändiges Hauptsachverfahren einsteigt.
Aber auch wir sind nicht untätig. So hat unser Rechtsanwalt auf Grundlage des Umweltschadensgesetzes das Brandenburger Landesumweltamt heute dazu aufgefordert, tätig zu werden und zu prüfen: über welchen Waldgebieten tatsächlich „Karate“ ausgebracht wurde, welche besonders geschützten Arten betroffen sind und hat den Landesforstbetrieb aufgefordert, in den „behandelten“ Waldgebieten Schadensbegrenzung zu betreiben. So könnte z.B. zumindest mittelfristig durch die Anpflanzung von blüten- und beerentragenden Gehölzen und/oder Wildstauden dafür gesorgt werden, dass in den besprühten Gebieten wieder Nahrungsgrundlagen für Vögel, Fledermäuse, Amphibien, Reptilien und Insekten geschaffen werden. (Pressemitteilung des NABU LV Brandenburg vom 20. August 2019)
Hier der Beschluss zum Download:
Potsdam, 18. Mai 2019 Gestern Abend beschloss das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg unserem Antrag zu folgen und hat den Insektizideinsatz mit "Karate Forst flüssig" über Brandenburger Kiefernwälder gestoppt. Der Beschluss ist unanfechtbar. Große Freude und ein überaus herzlicher Dank an alle, die uns unterstützt haben: engagierte Bürger vor Ort, Fürsprecher im ganzen Land, viele Spender und nicht zuletzt unser großartiger Rechtsanwalt Thorsten Deppner.
Leider konnte durch die Verzögerung in der 1. Instanz durch das Verwaltunsgericht Potsdam der Gifteinsatz nicht auf der ganzen Fläche verhindert werden. Im Bereich Teltow-Fläming ist die Aktion des Landesforstbetriebes bereits abgeschlossen.
Dennoch ist der Stopp des Insektizid-Einsatzes ein großer Erfolg! Weitere derartige Vorhaben können nun deutlich schwerer (oder hoffentlich gar nicht mehr) durchgesetzt werden. Liebe Leute, es ist klar geworden: gemeinsam können wir viel erreichen - für Mensch und Natur.
Potsdam, 16. Mai 2019 Das Verwaltungsgericht Potsdam hat in seiner Entscheidung vom 15. Mai 2019 abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des NABU Brandenburg gegen die Befliegungsaktion des Landesforstbetriebs wiederherzustellen - aus formalen Gründen. Es spricht dem NABU die prozessuale Antragsbefugnis ab. Das sieht der NABU anders und hat dagegen noch gestern Abend Beschwerde beim Oberverwaltunsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Der NABU ist sehr enttäuscht, dass das Verwaltungsgericht nicht bereit war, in der Sache zu entscheiden und sich allein auf eine rein formale und nach unserer Ansicht falsche Rechtsprüfung beschränkt hat.
Potsdam, 13. Mai 2019Zweiter Antrag ans Gericht: Der NABU Brandenburg hat über seinen Anwalt Thorsten Deppner die Begründung seines Antrags, die Ausbringung des Totalinsektizids "Karate Forst flüssig" zu untersagen, vertieft. Um allen prozessualen Möglichkeiten gerecht zu werden, hat der NABU nun zusätzlich auch den Landesforstbetrieb selbst gerichtlich auf sofortige Unterlassung der Ausbringung des Insektizids in Anspruch genommen.
In dem Schriftsatz an das Gericht macht der NABU auch deutlich, dass der Landesforstbetrieb die gute fachliche Praxis des Pflanzenschutzes nicht einhält. Vorbeugende Maßnahmen durch Waldumbau wurden nicht verwirklicht und die ökologische Tragfähigkeit der betroffenen Lebensräume durch den Einsatz eines nicht zielartenspezifischen Breitbandinsektizid überschritten. Das Handeln des Landesforstbetriebes sei vielmehr einseitig darauf ausgerichtet, die wirtschaftlichen Verluste für die Waldbesitzer auszuschließen. Dabei wurden die ökologischen Anforderungen klar vernachlässigt.
Potsdam, 10. Mai 2019 Der NABU Brandenburg wertet die heutige Zwischenverfügung des Verwaltungsgerichtes Potsdam nur als Teilerfolg im Kampf gegen den Insektizideinsatz in Brandenburger Kiefernwäldern. Ab heute dürfen keine Schutzgebiete, insbesondere das FFH-Gebiet „Hackenheide“ mit dem Insektenbekämpfungsmittel „Karate Forst flüssig“ besprüht werden.
Darüber hinaus war es dem Gericht aufgrund der bislang noch nicht vorliegenden Stellungnahmen des Landesamtes für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung (LELF) und des Landesforstbetriebes (LFB) noch nicht möglich, den Sachverhalt hinreichend zu beurteilen. Der NABU Brandenburg geht davon aus, dass nach Ablauf der Stellungsnahmefrist für LELF und LFB am kommenden Montag (13. Mai 2019) das Verwaltungsgericht Potsdam unverzüglich eine weitere Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung fällt.
Potsdam, 9. Mai 2019 Der NABU wehrt sich weiterhin dagegen, dass der Landesforstbetrieb das Totalinsektizid „Karate Forst flüssig“ aus Hubschraubern über Kiefernwälder in Brandenburg versprüht. Der vom NABU eingelegte Widerspruch wurde zurückgewiesen und daraufhin bereits mit ersten Sprühaktionen begonnen. In der vergangenen Nacht wurde durch den NABU-Anwalt beim Verwaltungsgericht ein Eilantrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Darüber hat das Gericht nun in den nächsten Tagen zu entscheiden. Um keine Zeit zu verlieren und die Sprühaktion sofort zu stoppen, wurde bei Gericht zugleich beantragt, dass die Ausbringung des Totalinsektizids untersagt wird, bis das Gericht über unseren Antrag entschieden hat.
In dem trotz des Zeitdrucks sorgfältig ausgearbeiteten Eilantrag des NABU Brandenburg an das Verwaltungsgericht in Potsdam, legt der NABU Brandenburg dar, wie unverhältnismäßig hoch der Schaden an geschützten Tier- und Pflanzenarten durch den Einsatz des Breitband-Insektizids „Karate Forst flüssig“ ist.
So können Sie helfen
Die Forstbehörden in Brandenburg planen einen umfangreichen Insektizid-Einsatz u.a. in den Wäldern rund um die Gemeinden Fichtenwalde, Borkwalde und Borkheide. Im Mai soll per Hubschrauber das hochgiftige Breitband-Insektizid „Karate Forst flüssig“ auf einer Waldfläche von mehreren Tausend Hektar versprüht werden. Mithilfe Ihrer Spende ist es uns möglich eine Klage gegen den Einsatz von Gift in Brandenburgs Wäldern umzusetzen.
Sie möchten nicht über das Internet spenden?
Berliner Volksbank
Stichwort: Gegen Gifteinsatz im Wald
IBAN: DE57 1009 0000 1797 7420 11 | BIC: BEVODEBB
Bereits nach ein paar Jahren kann sich der Wald erholen
Ein Vergleich von "behandelten" und "unbehandelten" Waldflächen in Lieberose
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Abbildung 3: Fotoaufnahme von Waldflächen in Lieberose vom 8. Mai 2019, links „behandelte“ (im Jahr 2014), rechts „unbehandelte“ Waldflächen.
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Abbildung 4: Fotoaufnahme einer Waldfläche in Lieberose vom 8. Mai 2019, seinerzeit (2014) „unbehandelt“.
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Abbildung 5: Fotoaufnahme einer Waldfläche in Lieberose vom 8. Mai 2019, seinerzeit (2014) „unbehandelt“.
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Abbildung 6: Fotoaufnahme einer Waldfläche in Lieberose vom 8. Mai 2019, seinerzeit (2014)„behandelt“.
Weitere Informationen:
Das Breitband-Insektizid „Karate Forst flüssig“ soll „Kieferngroßschädlinge“ wie die Nonne bekämpfen. Es ist aber nicht nur für diese giftig, sondern für alle Arten von Gliedertieren an Land und Wasser, vor allem Insekten, Spinnen und Krebstiere.
Zu den Argumenten der Forstbehörde, der erwartete Nonnenbefall sei nur auf die geplante Weise zu stoppen, bezog der Wissenschaftler und Bodenökologe Dr. habil. Hans-Holger Liste Stellung. Er bezeichnet die Schilderung der Behörden als Angstszenario. Insekten und Pilze seien nicht die Ursache für das Sterben von Bäumen. Sie erledigten letztlich die Naturaufgabe, tote und geschwächte Bäume zu beseitigen. Den starken Nonnenbefall sieht er als Symptom für eine Fehlentwicklung. Als Hauptursache für solche Massenvermehrungen gelten die Kiefern-Monokulturen, dieser Punkt wird auch von Seiten der Behörden bestätigt.
Wer indes gegen die Nonne Chemikalien anwendet, bekämpft nur Symptome, nicht die Ursachen, sagt der Experte Dr. Liste. Auch Waldbesitzer Karl Tempel, der seit Jahren an einer ökologisch sinnvollen Umforstung seines 80 ha großen Waldes arbeitet, stellt sich ebenfalls entschieden gegen den Gifteinsatz. Er warnt davor, „Karate Forst flüssig“ einzusetzen, das auch andere Insekten tötet, damit den Vögeln die Nahrungsgrundlage nimmt und die Gegenspieler der Nonne gleich mit erledigt.
Wie aber soll es mit dem Ökosystem weitergehen, wenn es durch die hochgiftige Substanz weiter beschädigt, geschwächt und damit noch anfälliger für den nächsten Schädlingsbefall in ein paar Jahren wird? Die Behörden haben keine Perspektive und bleiben die Antwort schuldig.
Vordergründig verweisen sie auf den notwendigen Umbau des Kiefernwaldes zum Mischwald. Auf Nachfrage wird indes deutlich, dass dafür kein Plan bereit steht, stattdessen wird auf die Untätigkeit der meisten privaten Waldbesitzer verwiesen, an der man nichts ändern könne.
Im Klartext: Die Behörden zwingen die privaten Waldbesitzer zwar, den Gifteinsatz (finanziell) mitzutragen, nicht jedoch dazu, eine ökologisch sinnvolle und nachhaltige Umforstung durchzuführen!
Einen Gifteinsatz ohne Sinn und Perspektive lehnen wir ab. Wir fordern daher von den Brandenburger Behörden den Stopp des großflächigen Insektizid-Einsatzes in den Wäldern rund um die Gemeinden Fichtenwalde, Borkwalde und Borkheide.
Da jedoch weder Protest noch mediale Öffentlichkeit den für die nächsten Wochen beschlossenen Einsatz abwenden werden, begrüßen wir die Initiative des Umweltverbandes, gegen den Gifteinsatz nun in buchstäblich letzter Sekunde noch juristisch vorzugehen.
Kommentar von Dr. Mark Benecke:
Betroffene berichten:
Holger Liste:Julia Streit:
Karl Tempel:
Pressespiegel:
https://www.rbb-online.de/zibb/archiv/20190426_1830/wald-pestizide.html
https://mediathek.rbb-online.de/tv/Brandenburg-aktuell/Gegen-Gift-im-Kiefernwald/rbb-Fernsehen/Video?bcastId=3822126&documentId=62319564
https://www.google.de/amp/m.maz-online.de/amp/news/Lokales/Potsdam-Mittelmark/Beelitz/300-Menschen-demonstrieren-in-Fichtenwalde-gegen-geplanten-Insektizid-Einsatz
https://www.pnn.de/potsdam-mittelmark/demo-gegen-insektizid-einsatz-anwohner-fuerchten-gift-einsatz-bei-fichtenwalde/24262520.html
http://www.maz-online.de/Lokales/Potsdam-Mittelmark/Beelitz/Hitzige-Debatte-ueber-geplanten-Insektizid-Einsatz-in-Waeldern-bei-Beelitz
http://www.maz-online.de/Lokales/Potsdam-Mittelmark/Beelitz/Landesforstbetrieb-will-Waldschaedlinge-aus-der-Luft-bekaempfen-ein-Waldbesitzer-wehrt-sich-dagegen
Für den Fall, dass der NABU Brandenburg mit seiner Klage Recht bekommt und die Kosten für den Rechtsanwalt erstattet werden, oder aber mehr Spenden eingehen, als für die Klage benötigt werden, werden die Spendengelder für einen anderen satzungsgemäßen gemeinnützigen Zweck des NABU Brandenburg eingesetzt. Die Spenden sind steuerlich absetzbar. Für eine Spendenquittung bitte die vollständige Adresse angeben!