Gezielter Feuereinsatz erhöht die Artenvielfalt
Schilfbrand in Neuzeller Niederung kein ökologisches Desaster – im Gegenteil
Anfang März 2021 Von den ursprünglich geplanten rund 40 Hektar, die in der Neuzeller Niederung abgebrannt werden sollten, um die Afrikanische Schweinepest einzudämmen, brannten letztendlich nur 2,5 Hektar Schilffläche, die dem NABU Frankfurt/Oder gehören. Neben vielen anderen, die in die Entscheidung einbezogen wurden, stimmte auch der regionale NABU dieser Maßnahme auf seiner Fläche zu, da er darin eine Naturschutzmaßnahme sieht. Neben den beteiligten Naturschutzverbänden unterstützten der Naturschutzbeirat des Landkreises Oder-Spree sowie die Staatliche Vogelschutzwarte diese Maßnahme. Auswirkungen auf Brutvögel und Amphibien waren nicht zu erwarten, da das Brut- und Laichgeschehen auf Grund der Witterung in diesem Jahr etwa rund 14 Tage verzögert ist. Während der Schneelage zuvor konnte nicht gebrannt werden – zu feucht.
Allein die Jägerschaft war gegen das Abbrennen des Schilfes. Sie befürchtete, dass Fasane im Feuer zu Schaden kämen. Da das Feuer allerdings mit dem Wind läuft, können die Tiere noch reagieren. Erst ist der Rauch da und so bleibt für die Fasane Zeit, um das Weite zu suchen. Außer dem im rbb-Beitrag hoch auflodernden Holunderbusch lief das Feuer während der gesamten Aktion langsam und übersichtlich.
Um aber sicher zu gehen, dass keine Tiere zu Schaden kommen, wurde die Aktion mit Drohnen begleitet: am Abend vorher, direkt vor dem Brennen und auch während des Brennens. Drohnen zeigen kleinste Wärmepunkte an, auch Kadaver (bei fünf Grad Celsius höherer Temperatur als Umgebung).
Warum wurde nicht gemäht?
Auf der Fläche ist der Moorboden etwa acht Meter mächtig und war zu dem Zeitpunkt nicht durchgefroren. Ein Einsatz mit normaler Technik war wegen der Bodenverhältnisse und des Buschwerkes nicht möglich. Auch würde schwere Technik zu Bodenverdichtungen und Schädigungen des Moorbodens führen. Der Wasser- und Bodenverband sowie Landwirte der Region wurden vorab nach geeignetem Technikeinsatz angefragt, verneinten dies aber; die Fläche sei nicht befahrar. Der Einsatz einer teuren Moorraupe auf der ursprünglichen geplanten großen Fläche wäre im Zuge der ASP-Bekämpfung vom Steuerzahler zu tragen gewesen.
Was hat das Abbrennen von Flächen mit Naturschutz zu tun?
In der Neuzeller Niederung, die Teil des europäischen Vogelschutzgebietes (SPA) „Mittlere Oder“ ist, gibt es eine Referenzfläche, die bereits 2017 gemäht worden ist. Durch das Mähen beziehungsweise Brennen verjüngt sich nicht nur das Schilf, es werden auch vergraste Bereiche entfernt. Nun kann Licht bis zum Boden durchdringen und das darin befindliche hohe Samenpotential aktivieren. Pflanzen, die sonst unterdrückt werden, bekommen nun eine Chance zu wachsen, zum Beispiel Beinwell und Kuckucks-Lichtnelke. Auch Wasserdost, Froschlöffel, Schmalblättriger Merk, Hunds-Straußgras, Gilbweiderich, Strauß-Gilbweiderich oder Blutweiderich können sich somit etablieren und dienen nachfolgend als Insektenweide.
Wird durch höhere Lichteinstrahlung das Wachstum der Blühpflanzen angeregt, lassen sich auch bald Insektenjäger auf den Flächen sehen. Durch die Mahd auf der Referenzfläche kam das Blaukehlchen zurück. Auch Karmingimpel und Wiesenpieper wurden nach der Mahd vor Ort gesehen. Ebenso profitiert die Rohrammer als typischer Vertreter der Landröhrichtflächen von Mahd/Brennen. Im vergangenen Jahr wurden hier drei Brutpaare gezählt. Bruterfolge bei Kranichen sind in dichten Schilfbeständen gering, da dann am Boden nur wenig Sonnenlicht und Wärme ankommt und die Jungen verklammen.
Dem häufig herangezogenen Argument, das Brennen würde einen hohen Ausstoß von Kohlendioxid erzeugen, kann man entgegenhalten, dass auch die Mahd nicht emissionsfrei ist. Nicht nur durch die eingesetzte Technik werden Abgase in die Luft geblasen, auch durch die Kompostierung des Mahdgutes werden Nährstoffen in den Boden abgegeben und damit das Pflanzenwachstum angeregt. Pflanzen/Schilf stehen dichter und wachsen höher und es gelangt weniger Licht und Wärme in bodennahe Bereiche.
Verbrennen dabei nicht die Insekten?
Das Schilf wurde am 1. März abgebrannt. Auch Heide- oder Trockenrasenflächen werden nur in der kalten Jahreszeit geflämmt, oftmals im ausgehenden Winter, da es ansonsten zu feucht ist. In den alten Schilfhalmen leben keine Libellen. Bei uns gibt es nur 2 Arten der Winterlibellen, die überhaupt als ausgewachsene Tiere (Imago) überwintern. Aber das tun sie in Ritzen und anderen Verstecken an Land.
Die abgebrannte Schilffläche wird auch weiterhin Schilffläche bleiben – eine Intensivierung oder Umnutzung ist nicht angedacht. Nun, da nach dem Brennen die Bodenverhältnisse (auch vorhandene Löcher und Gräben) bekannt sind, besteht die Chance, dass der Wasser- und Bodenverband und/oder die örtliche Agrargenossenschaft im Rahmen des Vertragsnaturschutzes die Pflege der Flächen fortführt und sich seltene Arten wieder etablieren können. Schilf brennen war übrigens in alten Zeiten eine gängige Maßnahme, um die Vegetation zu verjüngen und damit Futter fürs Vieh zu gewinnen.
Für Trockenrasen und Heidegebiete gibt es nichts Besseres als die Feuerpflege. Das schafft kein Mäher und kein Schaf. In Europa gab es nachweislich im ausgehenden 18. Jahrhundert die größte Artenvielfalt, als der Mensch durch Beweidung, abplaggen und abbrennen Offenlandflächen geschaffen hat, dies allerding ohne Chemie und riesige Technik. Warum gibt es wohl auf Truppenübungsplätzen (die nach der Aufgabe der militärischen Nutzung vielfach zu Schutzgebieten wurden) eine so hohe Artenvielfalt? Gerade auf den Schießplätzen hat es oftmals gebrannt. Durch Panzer wurde zudem Vegetation vernichtet und Offenland geschaffen, das es heute immer seltener gibt. Auf diese Landschaften sind aber seltene und spezialisierte Tiere und Pflanzen angewiesen.
Nachtrag 31. März 2021 Inzwischen haben sich schon 3 Kiebitzpaare inmitten dieser schwarz gebrannten Fläche angesiedelt, von denen eines bereits das Brutgeschäft begonnen hat. Im weiteren Verlauf wird hier intensiv beobachtet und dokumentiert, wie sich die Fläche in diesem ornithologisch und botanisch entwickelt.